Stefanie Adamczyk Journalistin

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An der Schwelle zum Tod

Gestorben wird auf Rezept: Ein Arzt verschreibt 15 Gramm des Schlafmittels Natrium-Pentobarbital, ein Medikament, das in Deutschland nur in der Tiermedizin zugelassen ist. Zwei Minuten nach der Einnahme kommt der Tod. Schon 500 mal seit 1998.

Beim Gedanken daran fröstelt Priscilla Ommerli. „So viele Tote, so viele Seelen in diesem Haus, die hier nicht hingehören.“ Sie wollte gerade ihre Wohnung betreten. Befragt nach Dignitas, rennt sie aufgeregt einen Stock tiefer und klingelt bei ihrer Freundin Gloria Sonny, wie sie Südafrikanerin. Die trägt an diesem Samstagvormittag, 10.30 Uhr, noch Haarnetz und Nachthemd. Sonny macht nachts kein Auge zu, läuft in ihrer Wohnung auf und ab, weil sie Angst hat. Angst, dass jemand auch sie in den vierten Stock bringen und zwingen könnte, das todbringende Medikament zu schlucken. Deshalb macht sie den Tag zur Nacht.

„Uiuiuiuiui“, jammern beide Frauen beim Stichwort Dignitas. „Da stehst du am Briefkasten“, erzählt Gloria Sonny, „und dann fährt ein Auto mit deutschem Kennzeichen vor. Guten Tag, sagt jemand auf Hochdeutsch, und ich weiß, zwei Stunden später tragen die ihn raus.“ Sonny ist 54 Jahre alt, ihre Freundin Ommerli 51, beide sind seit 1979 in der Schweiz. Als Gloria Sonny vor sechs Jahren in die Gertrudstraße 84 zog, wusste sie



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